Den Rechtsreferendar intensiv in die Kanzleiarbeit während der Anwaltsstation mit einzubinden, ist vom Anwalt sehr löblich. Denn oftmals beschränkt sich das Tätigwerden des Referendars auf das Mitnehmen, Bearbeiten und Zurückgeben von einzelnen Akten. Dass man es aber auch übertreiben kann mit der Einbindung des Referendars zeigt der Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 11.02.2017.
Sachverhalt
Ein in erster Instanz ergangenes Urteil wurde in der Kanzlei gegen Empfangsbekenntnis am 23.08.2016 zugestellt. Unterschrieben hatte dieses Empfangsbekenntnis der Rechtsreferendar, der zu dieser Zeit seine Anwaltsstation in der Kanzlei ableistet. Um das Urteil anzufechten, stellte der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Der innerhalb dieser Frist mit Schriftsatz vom 13. September 2016 übersandte Berufungszulassungsantrag war zwar laut Angaben des Anwalts des Klägers von ihm – dem Anwalt – entworfen worden; unterschrieben wurde dieser Schriftsatz aber wiederum vom Rechtsreferendar. Ein weiterer Schriftsatz vom 26. September 2016, der vom Verfahrensbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet wurde und einen weiteren Antrag auf Zulassung der Berufung enthielt, ging am 28. September 2016 und damit – zudem entgegen § 124 a Abs. 4 Satz 2 VwGO beim Oberverwaltungsgericht – erst nach Fristablauf ein.
Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils
Problematisch in diesem Fall war zum einen, dass das Empfangsbekenntnis der Rechtsreferendar und nicht der Anwalt unterschrieben hatte. Denn nach § 174 Abs. 1 ZPO „kann an einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden.“ Ein Referendar, der zu Ausbildungszwecken in der Kanzlei tätig ist, gehört nicht zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis. Das sollte jeder Rechtsreferendar im Hinterkopf behalten, wenn er in die Verlegenheit kommt, ein Empfangsbekenntnis zu unterzeichnen.
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In dem konkreten Sachverhalt war dennoch davon auszugehen, dass das Urteil am 23.08.2016 zugestellt worden ist. Denn der Anwalt berief sich in dem von ihm unterzeichneten Schriftsatz vom 26.09.2016 ausdrücklich darauf, dass das Urteil durch den Referendar am 23.08.2016 entgegengenommen wurde. Dieser Schriftsatz stellt das Empfangsbekenntnis des Rechtsanwalts dar. Dazu führt das OVG aus:
Der Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 26. September 2016 enthält das Empfangsbekenntnis des Verfahrensbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt kann seinen Annahmewillen auf beliebige Weise schriftlich betätigen. Dies kann – auch rückwirkend – in einem Schriftsatz geschehen. Im Schriftsatz vom 26. September 2016, der mit seiner Unterschrift versehenen ist, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, das angefochtene Urteil sei am 23. August 2016 zugestellt worden. Hiermit hat er bekundet, dass er an diesem Tag das Urteil entgegengenommen habe und zur Entgegennahme bereit gewesen sei. Der Empfangswille findet in der Formulierung „zugestellt am 23. August 2016“ sinnfälligen Ausdruck. Hiernach ist die Zustellung als an diesem Tag bewirkt anzusehen.
Rechtzeitigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung
Der Lauf der einmonatigen Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO begann nach der am 23. August 2016 erfolgten Zustellung am darauf folgenden Tag und endete mit Ablauf des 23. September 2016. Mit Schriftsatz vom 13.09.2016, der vom Rechtsreferendar unterzeichnet war, wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht fristwahrend eingereicht. Denn vor dem OVG muss man sich zwingend von einem Rechtsanwalt oder einer anderen in § 67 Abs. 2 VwGO genannten Person vertreten lassen. Rechtsreferendare zählen aber wiederum nicht zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis. Der Stationsreferendar durfte also nicht den Antrag selbst unterzeichnen; er hätte dafür sorgen müssen, dass dieser Schriftsatz rechtzeitig vom Anwalt eigenhändig unterschrieben wird.
Der vom Anwalt unterzeichnete Schriftsatz ging dagegen erst am 28.09.2016 bei Gericht ein und war damit nicht fristgerecht. Einen nachfolgenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwarf das OVG ebenfalls. Einzelheiten hierzu können in dem Beschluss nachgelesen werden.
Also aufgepasst: Intensiv in der Kanzlei mitzuarbeiten ist löblich und gut; Empfangsbekenntnisse sowie Schriftsätze, die Anträge enthalten, müssen aber zwingend vom Anwalt unterschrieben werden! [RefN]